Ich hätte ja nie gedacht, dass ich als freie Texterin mal in die Welt der Verwaltung eintauchen würde. Angefangen hat alles mit dem Pop-up-Office des Cross Innovation Hub der Kreativ Gesellschaft Hamburg. Dabei handelt es sich um ein Workshop-Format, das verschiedene Personen aus einem Unternehmen, in diesem Fall das Bezirksamt Nord, mit ausgewählten Kreativschaffenden zusammenbringt. Ziel ist es, die Vorgehensweise und Impulse des Formats anschließend im eigenen beruflichen Alltag anzuwenden.
Treffpunkt „Pop-up-Office“
Hier habe ich Susanne Rengel, die damalige Transformationsmanagerin des Bezirksamt Nord, sowie weitere Mitarbeitende kennengelernt. Gemeinsam haben wir in sogenannten „Culture Sprints“ Probleme definiert und Lösungsansätze für einen Kulturwandel in der Verwaltung entwickelt. Denn genau das war Susannes Thema: Kulturwandel in der Behörde – mit der Frage: Wie kann eine bessere Zusammenarbeit gelingen?
Kurz zur Idee hinter Cross Innovation:
»Hinter dem Begriff Cross Innovation verbirgt sich die Idee, das Innovationspotenzial der Kreativwirtschaft für andere Branchen nutzbar zu machen – indem Akteur*innen beider Seiten zusammenarbeiten. So wie in diesem Fall mit dem Weiterbildungsformat „Pop-up Office“, das ein wichtiger Teil des Prozesses war. Darin widmen sich gemischte Teams aus Kreativschaffenden und Organisationsvertreter*innen dem Thema Innovationskultur und New Work. So bildete sich im Mai 2023 in einem Loft in der HafenCity für dreieinhalb Tage eine ungewöhnliche Bürogemeinschaft. Mittendrin: Mitarbeitende des Bezirksamts.« Aus dem Jahresbericht der Hamburg Kreativ Gesellschaft 2023
Ich bin ein Fan von branchenübergreifender Zusammenarbeit und sehr dankbar, dass es dieses Angebot der Hamburg Kreativ Gesellschafft gibt. Für mein Empfinden könnte es noch mehr solcher Angebote geben, die Unternehmen mit Kreativschaffenden zusammenbringen.
Denn ich bin überzeugt: Menschen aus verschiedenen Branchen und mit verschiedenen Perspektiven in einem Raum öffnen neue Denkräume und bringen Ideen und Lösungen ans Licht, die das Alltägliche überwinden und für wahrhaftig Neues sorgen.
Durch das Verbinden unterschiedlicher Denkweisen und Blickwinkel entfaltet sich die Kreativität aller. Man inspiriert sich gegenseitig, kombiniert und entwickelt aus unterschiedlichen Erfahrungen, Temperamenten und Vorstellungen ganz neue Landschaften. Als neugieriger Mensch ist das genau das Richtige für mich. So ein Austausch macht mir und meinen Synapsen große Freude.
Wie leite ich eine kleine Gruppe von Menschen an, eine Vision zu formulieren?
Soweit ich weiß, ist es (noch) untypisch, dass man in der Verwaltung und somit in Behörden mit externen Kreativschaffenden zusammenarbeitet. Nicht, wenn Susanne am Start ist. Da wir zusammen in dreieinhalb Tagen diverse Workshop-Sprints des Pop-up-Office durchlaufen sind, hatte Susanne schon ein Gespür dafür bekommen, wie ich denke und Inhalte auf den Punkt bringe, Themen verknüpfe und Abstraktes konkretisiere.
Daher kam sie nach einiger Zeit auf mich zu und fragte mich, ob ich sie bei der Formulierung einer internen Vision für das Kulturwandel-Projekt unterstützen könnte. Ihre Idee war, in einer kleinen Gruppe eine Vision zu formulieren, die die Ergebnisse der Workshops auf einen Nenner bringen. Dazu wünschte sie sich meine Unterstützung als Texterin und kreative Sparringspartnerin.
Die Herausforderung:
Es geht nicht um irgendeine Vision. Sondern um eine Vision, die das Thema positive Zusammenarbeit auf den Punkt bringt. Sowohl eine Zusammenarbeit innerhalb des Bezirksamts als auch mit den Bürger:innen. Denn beim Projekt Kulturwandel ging es auch darum, dass das Bezirksamt nach außen hin sein Image verbessern wollte.
Die Überlegung:
Ich habe mir Gedanken gemacht und mich gefragt, welche Textform einer Vision ähnelt. Denn ob ich eine Vision als langjährige Texterin in meinem stillen Kämmerchen formuliere ist ein Unterschied dazu, Menschen, die noch nie was mit Werbetexten zu tun hatten, anzuleiten, eine derartige Formulierung aufs Papier zu bringen. Der Anspruch an eine Vision ist, nun ja, hoch. Das hat eine Vision von Natur aus an sich. Eine Vision soll motivieren und das Bild der Zukunft, das Gefühl, wie etwas sein soll, in sich tragen.
Mein Ziel:
Damit der „Vision-Workshop“ nicht langatmig wird, sondern motiviert und schnell zu Ergebnissen führt, war es mir wichtig, dass die Schreibenden mithilfe einer kurzen Anleitung schnell selbst ins Schreiben und so einer Vision immer näher kommen. Und das ohne Vorlauf einer langen Texttheorie; somit wollte ich den Schreib-Workshop nicht länger als einen halben Tag ansetzen.
Welche Textform ähnelt einer Vision, sodass ich eine Anleitung zum Schreiben darauf aufbauen kann?
Erstes Ergebnis: der Elevator Pitch.
Der Elevator Pitch ist ursprünglich eine kurze Zusammenfassung einer Geschäftsidee. Dahinter steckt die Idee, dass man innerhalb einer kurzen Aufzugfahrt seinem Gegenüber kurz und knapp vermitteln kann, was man beruflich macht und damit die Neugierde weckt. Mittlerweile wird diese Art der Zusammenfassung auch genutzt, um sich in Gesprächen z. B. beim Netzwerken, oder auf seiner Website mit seinem Angebot / seiner Dienstleistung vorzustellen.
Beispiel – mein Elevator Pitch:
„Hallo ich bin Simone, freie Texterin und kreative Sparringspartnerin. Ich bringe Selbstständige mit Ideen weiter, Inhalte auf den Punkt und sorge für mehr Klarheit im Kopf.
Zweites Ergebnis: der Einzeiler – aus dem Marketing-Buch „Storybrand“
Das Buch „Storybrand“ setzt mit dem Einzeiler auf ein Marketingelement, dass dieselbe Aufgabe wie der Elevator Pitch hat – er soll in kurzer Zeit das Gegenüber neugierig machen und überzeugen. Dafür adaptiert das Buch den Aufbau von Drehbüchern und bricht ihn auf die wichtigsten Elemente herunter. Somit enthält der Einzeiler wie auch ein Film-Teaser: eine Hauptfigur, ein Problem, einen Plan und den Erfolg.
Beispiel – Film-Teaser „Zurück in die Zukunft“:
„Marty McFly will kein Loser sein – doch in seiner Gegenwart läuft vieles schief. Als er durch eine Zeitmaschine ins Jahr 1955 reist, steht plötzlich seine eigene Existenz auf dem Spiel. Gemeinsam mit dem exzentrischen Doc Brown schmiedet er einen riskanten Plan, um die Vergangenheit zu retten. Doch schafft er es rechtzeitig zurück in die Zukunft – und sein Schicksal zu ändern?“
Zusammenfassung erstellt mit ChatGPT
Beispiel wie das für ein Unternehmen klingen könnte, das Massagen zur Linderung von Schmerzen anbietet:
„Die Leute (Hauptfigur) haben es satt, Tabletten (Problem) zu nehmen. Deshalb bieten wir medizinische Massagetherapien (Plan) zur Linderung chronischer Schmerzen (Problem) an. Wir helfen Menschen, weniger Schmerzen (Erfolg) und dafür mehr Bewegung (Erfolg) und ein besseres Leben (Erfolg) zu haben.“
Vor der Anleitung kommt die Recherche
Diese zwei Textarten habe ich der Gruppe vorgestellt, um sie heranzuführen, wo die Reise hingehen soll. Auf dem Schema des Einzeilers habe ich den Mini-Workshop zum Thema „Wir formulieren unsere Vision“ aufgebaut.
Hinzu kam die Vorarbeit: Das Sichten der kompletten dreieinhalb Tage Material aus dem Pop-up-Office, das mir Susanne zur Verfügung gestellt hat. Denn in dieser Zeit sind schon viele Formulierungen zu diversen Themen in den Workshops-Sprints entstanden.
Aus den Textinhalten des Workshops baute ich nun eine Art Text-Baukasten, der die drei Bereiche Pläne, Erfolg und Probleme abdeckte – in Anlehnung an das Textgerüst des Einzeilers „Hauptfigur, Problem, Plan und Erfolg“.
Unter dem Bereich Erfolg stand z. B. der Textbaustein „austauschen“, unter Probleme „Überlastung“ und unter Pläne „Sinn stiften“. Alles Begriffe, die innerhalb des Workshops aufploppten, in diversen Formulierungen auftauchten und die ich herausgefiltert und in die Bereiche aufgeteilt habe. So hatte am Ende jeder Bereich um die 25 Begriffe bzw. Textbausteine.
Weil meist aller (Text-)Anfang schwer ist, habe ich dazu noch Textvorlagen für den Satzanfang zusammengetragen wie „Wir gestalten, wir fördern, wir verwirklichen“ und als Alternative „Gemeinsam gestalten wir, gemeinsam bringen wir oder gemeinsam geben wir“.
Damit hatten die Teilnehmenden alle Inhalte beisammen, die sie selbst im Workshop erarbeitet hatten, mit denen sie sich also identifizieren konnten. Es war alles da. Die Bühne für eine Vision war bereitet.
Wie soll sich die neue Zusammenarbeit anfühlen?
Die wichtigste Vorarbeit fehlte jedoch noch. Bevor alle ihren Stift in die Hand nahmen und loslegten (ja, wir haben bewusst mit der Hand geschrieben), war es wichtig, die Frage aller Fragen zu beantworten:
„Wie soll sich die Vision anfühlen?“. Wie soll sich die neue Zusammenarbeit anfühlen, das Miteinander, im Bezirksamt wie auch mit den Bürger:innen?
Mit diesem Gefühl waren dann alle bereit und motiviert, eine Vision zu Papier zu bringen. Eine? Es waren viele. Und ich war sehr beglückt, die fokussierten Schreiberlinge zu beobachten, die nicht bemerkt hatten, als sich der Timer rührte. (Für mehr Fokus habe ich mit kurzen Schreibzeiten gearbeitet. Dieser Rahmen hilft, schnell ins Machen zu kommen.)
Meine Arbeit für die Entwicklung einer Vision zusammengefasst:
- Recherche, um eine Textform zu finden, die für eine Vision adaptiert werden kann
- Workshop-Output von dreieinhalb Tagen gesichtet
- Relevante Inhalte des Workshops herausgepickt und in Bereiche geclustert
- Unterlagen vorbereitet, die die Textform und das Prinzip näherbringen
- Ablauf geplant und vorbereitet
Was Susanne über unsere Zusammenarbeit sagt:
In unserer gemeinsamen Zeit im Pop-up-Office erlebte ich Simones Kompetenz vor allem im Verbinden von Themen und deren Kommunikation. Sie denkt einen Schritt weiter und generiert tolle Ideen, um abstrakte Themen greifbar zu machen. Ich habe beim gemeinsamen Blick auf Zusammenarbeit und Werte viel von und mit Simone gelernt.
Für das Bezirksamt Nord sind wir dank Simones Anleitung ins Entwickeln von Visionen gekommen. Mir sind der Ideenreichtum und die visionäre Sicht von Simone gut in Erinnerung geblieben. Sie sieht Potenziale, wo andere noch im Dunkeln tappen und ermutigt zur kreativen Gestaltung. Zudem spricht Simone ihre Beobachtung offen aus, was in der weiteren Prozessgestaltung und Organisationsentwicklung hilfreich war.
Simone als kreative Sparringspartnerin einzubinden, bringt neue Perspektiven und kreative Zugänge. Sie ist mit ihrer ruhigen und zugewandten Art eine sehr angenehme Gesprächspartnerin, die auch kritische Menschen gut einbindet und abholt.
Du bist Organisationsentwickler:in und wünscht dir in manchen Situationen eine vertrauensvolle Person, die dir mit Ideen zur Seite steht und Abstraktes konkretisiert?
Dann sollten wir uns kennenlernen!
In Menschen einen Funken zünden ist meine Herzensangelegenheit – mit Worten, die verbinden und Ideen, die bewegen; vor allem, wenn es um ein gutes Miteinander und Potenzialentfaltung geht.